Akademische Ausbildung im biobasierten Wirtschaftssystem


Fachkräfte und qualifiziertes Personal sind der Grundstein für die Bioökonomie von morgen. In einer biobasierten Wirtschaft werden akademische und nicht-akademische Ausbildungsprofile gleichermaßen benötigt, da neue Wege der Umsetzung gegangen und innovative Wertschöpfungsketten aufgebaut und begleitet werden müssen. Daher gilt es auch neue Ausbildungsprofile zu entwickeln, beispielsweise in Fachrichtungen wie der industriellen Biotechnologie, Biochemie, Bioverfahrenstechnik oder Sozio-Ökonomie.

Akademische Ausbildungsmöglichkeiten

Hochschulabsolvent*innen sind für die biobasierte Wirtschaft eine wesentliche Wissens- und Kompetenzquelle. Dies schließt Absolvent*innen von natur- und ingenieurswissenschaftlichen Studiengängen ebenso ein wie Fachkräfte aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Im Mitteldeutschen und Lausitzer Revier bieten 11 Universitäten und (Fach)Hochschulen bioökonomierelevante Studiengänge an (Stand Wintersemester 20/21). Sechs davon sind im Mitteldeutschen Revier verortet und fünf in der Lausitz. Insgesamt 77 Studiengänge haben einen Bezug zur Bioökonomie.[a] Das Angebot reicht von Studiengängen, die vollständig der Bioökonomie zugehören (z.B. Biowissenschaften, Agrarwissenschaften, Ernährungswissenschaften) bis hin zu Studiengängen und Spezialisierungen, die spezifische Teilbereiche der Bioökonomie aufgreifen, darunter beispielsweise:

  • Green Engineering
  • Energie- und Umwelttechnik
  • Responsible Management
  • Sustainable Development
  • Verpackungstechnologie und Nachhaltigkeit
  • Industriedesign

Die Mehrheit der Studienangebote sind Vollzeit-Studiengänge (86%). Es existieren ebenso verschiedene Angebote, die Studium und Praxis miteinander verbinden: darunter gibt es duale, berufsbegleitende und kooperative Studiengänge.

 

» Download: Die Liste der bioökonomierelevanten Studiengänge in den Revieren mit aktuellen Studierendenzahlen kann hier heruntergeladen werden [Daten]


Studiengänge: Große Vielfalt an bioökonomierelevanten Studiengängen

Der Blick auf die Studienangebote einzelner Einrichtungen zeigt, dass die die Hochschule Anhalt über ein sehr großes Angebot und breites Spektrum bioökonomierelevanter Studiengänge verfügt. An den drei Standorten der Hochschule werden insgesamt 19 Studiengänge mit Relevanz für die Bioökonomie angeboten. Zentral sind u.a. die Fachrichtungen Agrar- und Lebensmittelwissenschaften sowie verschiedene Themen im Kontext der Biotechnologie (z.B. Lebensmitteltechnologie, Biomedical Engineering). Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bietet insgesamt 14 Studienmöglichkeiten mit Bioökonomiebezug an. Die Bereiche der Naturwissenschaften und Agrarwissenschaften, die an der MLU eine lange Tradition haben, stehen dabei im Fokus. An der BTU Cottbus-Senftenberg werden 11 Studiengänge mit Bezug zur Bioökonomie angeboten, primär solche mit ingenieurswissenschaftlich-technischer Ausrichtung wie z.B. Umweltingenieurswesen, Klimagerechtes Bauen und Betreiben oder Biotechnologie. Das Angebot der Universität Leipzig ist eher naturwissenschaftlich orientiert. Prägend sind Studiengänge der Biowissenschaften, ebenso Biochemie und Chemie. Weiterhin sind an der Universität Leipzig die Veterinärmedizin sowie der Masterstudiengang Sustainable Development vertreten.

An den kleineren Fachhochschulen der Reviere gestaltet sich das Studienangebot teils recht spezialisiert. In diesen Nischen werden regionale Alleinstellungsmerkmale geschaffen. Diese Spezialisierung verdeutlichen z.B. folgende Studienangebote: Industriedesign (Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle), Verpackungstechnologie und Nachhaltigkeit (HTWK Leipzig), Pharmazeutische Biotechnologie, Ökologie und Umweltschutz (Hochschule Zittau/Görlitz), Biosystemtechnik/Bioinformatik (Technische Hochschule Wildau), Green Engineering oder Polymer Materials Science (Hochschule Merseburg) sowie Biotechnologie und Angewandte Ökologie und Ecosystem Services (Internationales Hochschulinstitut Zittau).

Insgesamt zeigt sich in den Revieren ein vielfältiges Studienangebot zur Bioökonomie. Die spezifischen ingenieurswissenschaftlich-technischen, naturwissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen und auch gestalterischen Schwerpunkte ergänzen sich umfassend.

Studierendenzahlen: 12.500 Studierende in relevanten Studiengängen

Im Wintersemester 2020/2021 waren in den 77 Studiengängen knapp 12.500 Studierende eingeschrieben - davon mehr als 10.000 Studierende (82 %) an den Universitäten und (Fach)Hochschulen im Mitteldeutschen Revier. Die Hochschulen des Lausitzer Reviers zählten etwa 2.300 Studierende (18 %) in bioökonomiebezogenen Fachrichtungen. Ein Großteil der Studierenden verteilt sich auf die Einrichtungen in Halle (ca. 3.500 Studierende), Leipzig (ca. 3.200 Studierende) sowie auf die Hochschule Anhalt (ca. 3.000 Studierende) und die BTU Cottbus-Senftenberg (über 1.600 Studierende).

In den einzelnen Einrichtungen liegt der Anteil der Studierenden in bioökonomierelevanten Studiengängen aktuell etwa zwischen 4 % (TH Wildau) und 46 % (Hochschule Anhalt). Einrichtungs- und revierübergreifend liegt der Anteil bei durchschnittlich 15,6 %. Im zeitlichen Verlauf zeigt sich, dass die vielfältigen Bioökonomiethemen zunehmend ausbildungsrelevant werden. So hat sich der Anteil in nahezu allen Einrichtungen in den letzten Jahren teils deutlich erhöht.

Hinsichtlich der absoluten Entwicklung der Studierendenzahlen lassen sich im Lausitzer und im Mitteldeutschen Revier differenzierte Trends feststellen. Im Mitteldeutschen Revier ist die Zahl der Studierenden in bioökonomierelevanten Studiengängen in den letzten Jahren deutlich gestiegen – analog zur Entwicklung der Gesamtstudierendenzahl. In der Lausitz ist die Gesamtzahl der Studierenden seit dem Wintersemester 2014/2015 hingegen um ca. 17 % gesunken – auf 13.500 Personen im Wintersemester 2020/2021. Von diesem Rückgang sind alle Hochschulen in der Lausitz betroffen, insbesondere jedoch die BTU Cottbus-Senftenberg (-23 %). Dennoch bleibt die BTU mit insgesamt über 1.600 Studierenden ein wichtiger Studienort für bioökonomische Felder. Interessant ist, dass an den anderen Lausitzer Hochschulen trotz rückläufiger Gesamtstudierendenzahlen, die Zahlen in den Bioökonomie-Studiengängen etwas gestiegen sind. An der Hochschule Zittau/Görlitz sind 8 %, an der TH Wildau 30 % und am IHI Zittau 16 % Zuwachs zu verzeichnen. Diese Entwicklungen signalisieren für die bioökonomierelevanten Ausbildungsbereiche, abseits der BTU, eine gewisse Dynamik.


» Download: Abbildung Studierende in bioökonomierelevanten Studiengängen [PNG]

Fachkräftesicherung: Regionale Bindung der Absolvent*innen ist zentrale Herausforderung

Die akademische Fachkräftebasis in beiden Revieren ist inhaltlich breit aufgestellt und vor allem im Mitteldeutschen Revier wachsend. Daraus können sich wichtige Impulse für die regionalen Bioökonomiestrukturen ergeben. Eine essenzielle Herausforderung besteht jedoch darin, die Absolventinnen und Absolventen mittel- und langfristig an die Region zu binden. So zeigen Untersuchungen zur Mobilität von Hochschulabsolvent*innen in Deutschland, dass der Anteil derer, die nach dem Studium das jeweilige Bundesland verlassen in Brandenburg (63,3 %), Sachsen (40,5 %) und Sachsen-Anhalt (50,2 %) deutlich über dem Bundesdurchschnitt (34,8 %) liegt (vgl. Haußen und Übelmesser 2015, S. 44). Um diesen Anteil zu verringern, müssen regionale Akteure ihre Anstrengungen zur Bindung regional ausgebildeter, aber auch zur Anwerbung überregional ausgebildeter, hoch qualifizierter Absolvent*innen intensivieren. Dazu gilt es Maßnahmen, Angebote und Anreize zu entwickeln und umzusetzen. Nur so lassen sich die regionale Fachkräftebasis und damit die Wissens- und Kompetenzbedarfe der Bioökonomie in beiden Revieren langfristig sichern.

Einzugsbereich der Reviere: zahlreiche ergänzende Studienangebote

Auch für den Einzugsbereich der Reviere wurden in den jeweiligen Bundesländern Hochschulen und deren bioökonomierelevante Studiengänge erfasst. Im Einzugsbereich der Reviere konnten 18 Einrichtungen identifiziert werden – diese bieten 131 Studiengänge mit Relevanz für die Bioökonomie an.


» Download: Abbildung Einrichtungen und Anzahl bioökonomierelevanter Studiengänge [PNG]


Insgesamt wird deutlich, dass sich Fachgebiete an den Einrichtungen des Einzugsbereiches finden, die an den Einrichtungen der Reviere nur ansatzweise vertreten sind. Zu nennen sind beispielsweise die zahlreichen Angebote im Bereich der Forstwissenschaften und Holztechnologien an der TU Dresden oder die Verknüpfung zwischen der Landschaftsarchitektur und Aspekten des Pflanzen- und Gartenbaus an der Fachhochschule Erfurt.


» Download: Die Liste der bioökonomierelevanten Studiengänge im Einzugsbereich der Reviere kann hier heruntergeladen werden [Tabelle]


 

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Quellen

[1] Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.) (2010): Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030. Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft. Bonn, Berlin. Online verfügbar, zuletzt geprüft 04.01.2022

[2]  Graffenberger, Martin; Hof, Dennis; Brachert, Matthias; Lang, Thilo (2020): Innovation und Wissenstransfer außerhalb der Agglomerationsräume. Praktiken des Wissenstransfers. Leipzig (Forum IfL, 37). Online verfügbar, zuletzt geprüft 04.01.2022

[3]  Haußen, Tina; Übelmesser, Silke (2015): Mobilität von Hochschulabsolventen in Deutschland. In: ifo Dresden berichtet 22 (2), S. 42–50. Online verfügbar, zuletzt geprüft 04.01.2022

[4]  Herrmann, Jens; Evans, Michaela; Hilbert, Josef (2020): Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier. Wissen und Bildung. Hg. v. Koordinierungsstelle BioökonomieREVIER. Online verfügbar, zuletzt geprüft 04.01.2022

[5]  Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt (Hg.) (2021): Bioökonomie als Treiber für Wertschöpfung und Innovation. Strategiepapier zur Schlüsselrolle des Landes Sachsen-Anhalt bei der Etablierung einer Modellregion der Bioökonomie im Mitteldeutschen Revier. Magdeburg. Online verfügbar, zuletzt geprüft 04.01.2022

[6]  Wackerbauer, Johann; Rave, Tilmann; Dammer, Lara; Piotrowski, Stephan; Jander, Wiebke; Grundmann, Phillip et al. (2019): Ermittlung wirtschaftlicher Kennzahlen und Indikatoren für ein Monitoring des Voranschreitens der Bioökonomie. München: Ifo-Institut f. Wirtschaftsforschung (ifo Forschungsberichte, 104). Online verfügbar, zuletzt geprüft 04.01.2022

Anmerkungen

[a] Aufeinander aufbauende Bachelor und Master Studiengänge (bspw. Biologie B. Sc. -> Biologie M. Sc. an der MLU Halle-Wittenberg) einfach gezählt. Die gleichen Studiengänge an unterschiedlichen Einrichtungen wurden doppelt gezählt (bspw. B. Sc./M. Sc. Biologie an der MLU Halle-Wittenberg und der Universität Leipzig).