Kombi mit System

Nach einer Heizungssanierung im Gemeindezentrum St. Gallus in Tettnang (BW) wird eine Solarthermie-Anlage mit einem Pelletkessel sowie einem Gasbrennwertkessel kombiniert.

Eine Heizungsanlage hat eine durchschnittliche Lebensdauer von ca. 20 Jahren. Ältere Anlagen haben häufig einen höheren Verbrauch und verursachen deutlich mehr Emissionen als moderne Geräte. In der Kirchgemeinde St. Gallus im baden-württembergischen Tettnang stand die Sanierung der Heizung ihres Gemeindezentrums an, ein Gebäudekomplex bestehend aus vier Häusern. Bisher wurden die Gebäude mit separaten Gaskesseln beheizt, die aus Altersgründen ausgetauscht werden sollten.

 

Modulares System

Der Gemeinderat entschied sich für eine zentrale Wärmebereitstellung mit kleinem Wärmenetz, die deutlich effektiver arbeitet als vier einzelne Heizungsanlagen im unteren Leistungsbereich. Jedoch war zunächst intensive Überzeugungsarbeit bei den Gemeindemitgliedern notwendig, das Neuland kombinierter Technologien zur Bereitstellung erneuerbarer Wärme zu betreten, statt auf bewährte, nur mit fossilem Gas betriebene Heiztechnik zu setzen. „Was, wenn der Biomassekessel mitten im Winter gewartet werden müsse, wenn die solarthermische Anlage nicht genügend Wärme produziert?“ wendeten Skeptiker ein. Letztendlich wollten die Gemeindemitglieder aus ethisch-ökologischen Gründen mehrheitlich auf einheimische Rohstoffe setzen, anstatt von Erdgasimporten abhängig zu sein. So beschloss der Gemeinderat der katholischen Kirche St. Gallus im Jahr 2006, die alten Gaskessel gegen ein modulares Heizsystem bestehend aus einer Solarthermieanlage, aus Pellet- und Gaskessel sowie aus Pufferspeicher und kleinem Wärmenetz auszutauschen. Zur Deckung der Grundlast wird der Pelletkessel eingesetzt. Der zweite, mit Erdgas betriebene, Kessel gewährleistet die Sicherheit des neuen Heizungssystems. Er bildet die sogenannte Redundanz, das heißt durch parallel arbeitende Systeme kann der Ausfall von einzelnen Komponenten kompensiert werden.

„Die frühen Anwender neuer Technologien müssen eine Lernkurve absolvieren,“ erklärt Daniel Hegele vom Kesselhersteller HOVAL, der das Gesamtsystem in Tettnang konzipiert hat. Erst nach einiger Praxis hat die spezifische Anlage verschiedene Fahrweisen und Zustände durchlaufen, sodass der Hersteller eine weitgehende Störungsfreiheit garantieren kann. Auch wenn er tatsächlich nur an kalten Tagen angesprungen ist, beruhigte der zusätzlich eingebaute Gaskessel die Zweifel der Tettnanger Gemeinde. Im Sommer genügt die Solarthermieanlage für die Wärmeversorgung. In Übergangszeiten kommt bei Bedarf der Gaskessel hinzu, der im Schwachlastbetrieb, also auf der geringsten nötigen Leistung, läuft und darin eine deutlich höhere Effizienz aufweist als der gewählte Pelletkessel. In der Heizperiode (Oktober bis April) sorgt die Wärme aus Pellets für die Wärmegrundlast und wird bei Bedarf von der Gastherme unterstützt.

 


Modulares System

Wärmeerzeuger:

  •   Solarthermie-Anlage, ca. 40 m2 (auf dem Gemeindezentrum)

  •   Grundlastkessel ist ein 160 kW Pelletkessel, Typ Hoval BioLyt

  •   Zweitkessel ist ein 150 kW Gasbrennwertkessel, Typ Hoval UltraGas

Speicher:

  •   Pufferspeicher mit 2000 Liter in der Heizzentrale (im Gemeindezentrum mit Kindergarten)

  •   je 500 Liter Kombispeicher (Pufferspeicher mit Frischwasser-Wärmetauscher) in den 3 angeschlossenen umliegenden Gebäuden

Kaum Ausfallstunden

Seit 2006 läuft diese modulare Anlage nun ca. 25.000 Betriebsstunden. Der Ausfall des Pelletkessels aufgrund von Störungen oder notwendiger Wartung summierte sich in diesem Zeitraum auf ca. 15 Tage.

Ebenso positiv schauen die Verantwortlichen auf die Wartungskosten, die nun statt für vier – nur für eine Anlage anfallen. Einmal jährlich im Sommer wird die komplette Heizungsanlage vom HOVAL-Werkskundendienst gewartet. Da alle Komponenten aus einer Hand sind, kann die Wartung beider Kessel vom gleichen Kundendienst mit nur einem Anlagenbesuch übernommen werden. Zusätzlich erfolgt einmal im Winter eine Zwischenreinigung des Pelletkessels, da bei dieser Anlagenkonzeption mit Dauerbetrieb auf Grundlast deutlich mehr Asche anfällt, als sonst üblich. Seit über zehn Jahren werden ca. 75 – 80 Prozent der benötigten Wärme von rund 450.000 kWh CO2-neutral solarthermisch und durch nachhaltig gewonnene Biomasse bereitgestellt. Das führt zu einer massiven Einsparung von Treibhausgasen. Mit der neuen Heizanlage werden pro Jahr ca. 70 tCO2-Äq gegenüber einer rein fossilen Wärmelösung eingespart.

Zukunftsmusik

Zwar sei von Gemeindeseite bei der Heizungssanierung auf volle Erneuerbarkeit verzichtet, aber ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis je investiertem Euro erreicht wurden, erklärt Daniel Hegele, vom Hersteller HOVAL. In seinen Überlegungen zur Weiterentwicklung des Systems kommt erneuerbarer Strom zum Tragen. Auf dem Dach des Gemeindekindergartens ist eine PV-Anlage installiert. Diesen Strom könnte man zum Betreiben einer Wärmepumpe nutzen. Sie läuft mit gutem COP (Coefficient Of Performance, eine Leistungszahl, die das Verhältnis der Heizleistung zur aufgewendeten Leistung des Systems angibt) in den warmen Monaten. Nur bei niedrigen Temperaturen, also vor allem im Winter, käme dann der Pelletkessel unterstützend hinzu.

 

Das ist smart:

  1. Steuerbarkeit: Gute Systemregelfähigkeit durch aufeinander abgestimmte Komponenten und effizienter Einsatz des Pelletkessels
  2. Systembeitrag: Gutes Beispiel für lokale Lösung mit hoher Flexibilität, die Unabhängigkeit bringt und Sektorkopplung einbindet, Ausbau durch intelligent integrierte Photovoltaik und Wärmepumpe möglich
  3. Transformationspotenzial: Bedeutung der Bildung moderner, lokaler Versorgungsnetze mit Zukunftspotential