Forschung

Für eine gezielte, effiziente und sichere Prozessführung anaerober Prozesse ist die Kenntnis des biochemischen Abbauverhaltens relevanter Substrate bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen von entscheidender Bedeutung. Gemeinsam mit den prozessbegleitenden Messwerten und Laboranalysen bieten dynamische Anlagenmodelle dabei eine belastbare Grundlage für die Abbildung oder Vorhersage charakteristischer Kenngrößen und aussagekräftiger Prozessindikatoren. Im Rahmen der Nachwuchsforschergruppe werden dabei relevante Themengebiete von der Entwicklung geeigneter Prozessmodelle und -bilanzen bis zur Validierung modellbasierter Automatisierungskonzepte im Labor und Praxismaßstab bearbeitet.

Modellentwicklung

Der Forschungsschwerpunkt zur Modellentwicklung beinhaltet ein vielfältiges Methodenspektrum. So ermöglichen einfache Stoff- und Energiebilanzen eine praxisnahe Prozess- und Effizienzbewertung anaerober Prozesse, hingegen dynamische Reaktionsmodelle – unter Berücksichtigung mikrobieller Wachstumsprozesse und charakteristischer Zwischenprodukte oder Inhibitoren – für den Einsatz zur modellbasierten Zustandsüberwachung und Prozessregelung geeignet sind. Neben mechanistischen Modellierungsmethoden werden dabei auch stochastische Verfahren auf Basis maschinellen Lernens innerhalb der Arbeitsgruppe implementiert. Langjährige Erfahrung in den unterschiedlichen Modellierungsmethoden ermöglichen es, in Abhängigkeit von den prozessspezifischen Rahmenbedingungen geeignete Modellstrukturen für die jeweilige Fragestellung zu entwickeln.

Prozesssimulation

Neben der Modellentwicklung spielt dabei auch die Analyse und Validierung der unterschiedlichen Prozess- und Anlagenmodelle eine wesentliche Rolle innerhalb der Arbeitsgruppe. Systemtechnische Untersuchungen zur Parametersensitivität, Identifizierbarkeit und Beobachtbarkeit ermöglichen eine detaillierte und aussagekräftige Bewertung der verfügbaren Modelltheorie. Für eine eindeutige Identifikation unbekannter Modellparameter und Prozessindikatoren werden Methoden zur optimalen Versuchsplanung (Optimal Experimental Design) und Parameterschätzung im Labor- und Praxismaßstab implementiert, evaluiert und weiterentwickelt.

Prozessüberwachung

Für eine belastbare Zustandsüberwachung und realitätsnahe Simulationsergebnisse ist die Charakterisierung der verwendeten Substrate anaerober Prozesse von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen der Forschung werden die verfügbaren Verfahren zur Substratcharakterisierung vergleichend ausgewertet und gezielt hinsichtlich ihrer Anwendung zur Prozess- und Effizienzbewertung überarbeitet. Für einen sicheren und flexiblen Anlagenbetrieb werden modellbasierte Softsensoren zur Überwachung aussagekräftiger Zustandsgrößen (Prozessindikatoren) entwickelt. Zusätzlich lässt sich langjähriges Erfahrungswissen bei der Prozessführung anhand von Expertensystemen zur automatisierten Prozessüberwachung nutzen. Dabei werden alle Verfahren für eine praxisnahe Anwendung bei typischen Messunsicherheiten im großtechnischen Anlagenbetrieb ausgelegt und evaluiert.

Prozessregelung

In Abhängigkeit von der konkreten Zielstellung werden innerhalb der Arbeitsgruppe modellbasierte Regelungsverfahren für unterschiedliche Betriebskonzepte von großtechnischen Biogasanlagen entwickelt. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist es dabei möglich, von der Modellentwicklung und Zustandsüberwachung bis hin zur Regelung individuelle Verfahren gezielt für den jeweiligen Anwendungsfall auszulegen. Neben der Auswahl geeigneter Prozessmodelle und numerischer Optimierungsmethoden ist die Verwendung robuster und prädiktiver Regelungsverfahren eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz im großtechnischen Anlagenbetrieb.

Labor- und Praxisversuche

Die experimentelle Validierung im Labor- und Praxismaßstab ist maßgebend für die Entwicklung praxisnaher Automatisierungskonzepte. Unter Berücksichtigung der verfügbaren Sensorik, Laboranalysen und effektiven Messunsicherheiten im Praxisbetrieb werden robuste Verfahren zur Zustandsüberwachung und Prozessregelung im regulären Anlagenbetrieb entwickelt und evaluiert. In diesem Zusammenhang bildet auch die gezielte Bewertung und kontinuierliche Verbesserung der etablierten bzw. innovativen Messtechnik und Labormethoden einen wichtigen Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe. So gilt es, gezielt Messmethoden weiterzuentwickeln, welche eine erhebliche Verbesserung und hohen Informationsgehalt für die modellbasierte Prozessoptimierung versprechen. Kooperationen mit Anlagenherstellern und -betreibern ermöglichen realitätsnahe Einblicke in die Arbeitsabläufe und Betriebsbedingungen in der großtechnischen Anlagenpraxis.