Stabiles Stromnetz? Biogasanlagen regeln das!

Die Firma Next Kraftwerke vernetzt als virtuelles Kraftwerk Beteiligte der Stromerzeugung, ‑speicherung und ‑nutzung. Dabei organisieren verschiedene Erzeugungsformen und flexible Regelung zusammen einen Beitrag zur sicheren Versorgung mit Elektrizität. Gegründet wurde das Unternehmen 2009 in Köln (NRW), welches mittlerweile zehn Standorte in acht europäischen Ländern betriebt.

Dezentral strukturierte Kleinanlagen, wie Biogas-, Solar- und Windkraftanlagen, gewinnen gegenüber großen Kraftwerken immer mehr Bedeutung. In Deutschland stellen Anlagen mit weniger als 10 Megawatt installierter Leistung bereits heute über die Hälfte der gesamten Kapazität. In der Zahl der Anlagen spiegelt sich der Wandel ebenso wider: Während es im Jahr 1990 in Deutschland circa 1.000 Kraftwerke zur Energieerzeugung gab, waren es 2017 über 1,7 Millionen. Der größte Anteil (über 97 %) davon sind Photovoltaikanlagen. Auch der Strommarkt ist durch seine schrittweise Liberalisierung seit 1998 wesentlich komplexer geworden. Mittlerweile gibt es europaweit 12 Spotbörsen, an denen Strom gehandelt wird.

 

 

Ein ehemals zentrales, von wenigen Anbietern dominiertes System befindet sich also in einem rapiden Wandel, der vor allem durch erneuerbare Energien und neue digitale Möglichkeiten vorangetrieben wird.

Eine solche Entwicklung ist das Entstehen virtueller Kraftwerke, wie der Next Kraftwerke GmbH. Hier werden mehrere Kleinanlagen digital vernetzt, um eine gemeinsame Marktteilnahme zu ermöglichen. Auch Stromverbraucher und -speicher werden eingebunden. Dabei profitieren nicht nur die Anlagenbetreibenden, sondern das ganze Stromnetz, da die Kleinanlagen durch einen systemdienlichen Betrieb in virtueller Bündelung wie ein Großkraftwerk agieren können.

Gebündelte Technologievielfalt

Der Beitrag der Digitalisierung macht sich vor allem darin deutlich, dass eine automatisierte Kommunikation mit vielen einzelnen, dezentralen Teilen möglich wird. Für Next als Koordinierungsstelle und den Strommarkt im Ganzen bringt dies zwei wesentliche Vorteile: erstens lassen sich in gebündelten Systemen bessere Prognosen berechnen. Während beispielsweise die Stromerzeugung einer einzelnen Windkraftanlage im Tagesverlauf plötzlich stark variieren kann, ergibt sich bei der Aufsummierung vieler, räumlich verteilter Anlagen ein geglättetes Erzeugungsprofil, welches sich durch Wetterdaten gut vorhersagen lässt. Der zweite Vorteil ist die Integration zahlreicher Technologien. Der virtuelle Kraftwerksbetrieb ist damit, anders als einzelne Großanlagen, nicht von einem einzelnen Energieträger abhängig, sondern ist auf verschiedenen Ebenen flexibel um marktorientiert zu handeln.

Die Stromerzeugung bildet dabei das Rückgrat, mit der Produktion in Biogas-, Windkraft-, Photovoltaik-, KWK- oder Wasserkraftanlagen. Zur Bereitstellung der Elektrizität werden die einzelnen Anlagen flexibel gesteuert. Aber auch die Stromabnahme kann flexibel gestaltet werden, durch industrielle Großverbraucher, Versorgungsunternehmen und Speicheranlagen. Dabei wird der Verbrauch wenn möglich zeitlich so angepasst, dass der Betrieb verstärkt dann stattfindet, wenn ausreichend Strom vorhanden ist. Diese Form der Netzbeteiligung nennt sich Lastmanagement und spielt vor allem für angebotsgesteuerte Technologien eine Rolle, die für unsere zukünftige Versorgung wichtig sind. So kann in Phasen sehr hoher Netzeinspeisung erneuerbarer Energien gezielt die Sektorkoppelung durch Wasserstoff- oder Wärmebereitstellung unterstützt werden.

 

 

Insgesamt wird das System dadurch reaktionsfähiger und resistenter gegen externe Schwankungen (wie etwa Wetterwechsel). Aktuell werden bei Next durch diesen Technologiemix etwa 7.560 Megawatt installierte Leistung gebündelt. Der dadurch gebildete Next Pool stellt damit eines der größten virtuellen Kraftwerke in Europa dar. Auch die Leistungsfähigkeit konventioneller Kraftwerke wird übertroffen. Zum Vergleich: im größten einzelnen Erzeuger Deutschlands, dem Braunkohlekraftwerk Neurath, sind 4.400 Megawatt in sieben Blöcken angeschlossen. Diese können, im Gegensatz zum Next Pool, aber als Grundlastkraftwerk deutlich weniger flexibel auf wechselnde Anforderungen im Stromsystem reagieren.

Insgesamt sind derzeit 8.732 kleine und mittelgroße Anlagen in zehn Ländern in den Next Pool eingebunden. Um die Kommunikation mit dem Leitsystem zu ermöglichen, wurde die Next Box entwickelt. Diese sichert den Austausch über eine über eine speziell abgesicherte GPRS-Verbindung ab. Gemeinsam mit diesen Anlageninformationen, Regelungsanforderungen der Übertragungsnetzbetreiber (den Verantwortlichen für ein stabiles Stromnetz), Wetter- und Strompreisprognosen, empirischen Mess-/Zähldaten und den personalisierten Einstellungen der Anlagenbetreibenden kann das Leitsystem automatisch einen Fahrplan erstellen, über den dann die Anlagen im Next Pool gesteuert werden

Optimierter Systembeitrag durch gemeinsame Regelung

Mit der Erstellung des Next Pools mit dem zentralen Leitsystem stellt sich als nächste Frage, nach welchen Kriterien die Steuerung vorgenommen wird. Next nutzt hier die Vielfalt der beteiligten Anlagen aus, um am Regelenergiemarkt teilzunehmen. Hierbei wird nach Vorgaben des Übertragungsnetzbetreibers Elektrizität zur kurzfristigen Stabilisierung des Stromnetzes geliefert. Die Produktion der im Verbund geführten Anlagen wird darüber hinaus proaktiv auf Basis von Preissignalen der Strombörse gesteuert. Next steigert die Stromeinspeisung, wenn die Preise hoch sind – weil es wenig Angebot gibt – und senkt sie wiederum, wenn die Preise niedrig sind – weil das Angebot hoch ist. So werden im virtuellen Kraftwerk Schwankungen ausbalanciert, die beispielsweise durch die schwankende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien entstehen.

Im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken unterscheidet sich das virtuelle Kraftwerk vor allem durch seine schnelle Reaktionszeit und Effizienz. „Wir stellen Flexibilität sehr günstig bereit, weil der Aufbau unseres Verbundes ein Bruchteil von den Investitionskosten eines konventionellen Kraftwerks verschlingt,“ erläutert Hendrik Sämisch die Geschäftsidee von Next und unterstreicht: „Wir vernetzen bestehende Anlagen, die wegen ihrer geringen Größe bisher ihre Leistung nicht dem Stromsystem zur Verfügung stellen konnten.“

Eine digitale Vernetzung ermöglicht auch kleinen dezentralen Anlagen ihre Leistung am Regelenergiemarkt anzubieten, was den großen Übertragungsnetzbetreibern ein Steuerungsinstrument in die Hand gibt. Der Bau neuer Kraftwerke und Speicher, die als Reserve dienen, kann durch die Potenziale gebündelter Kleinanlagen ein Stück weit überflüssig gemacht werden. Das Energiesystem profitiert als Ganzes.

 

Das ist smart:

  1. Steuerbarkeit: Automatisierte Anlagensteuerung unter Einbezug vieler Variablen, Ergebnis: systemdienlicher Betrieb
  2. Systembeitrag: direkter positiver Einfluss auf die Stabilität des Stromsystems und damit der Versorgungssicherheit
  3. Transformationspotenzial: Aggregation in virtuellen Kraftwerken als bereits stattfindender Umbruch der Energiebranche