Smartes Sonnen- und Bioenergiedorf Mengsberg

Erfolgreiche Energiewende-Projekte setzen vor allem Gemeinden um, die ihre Bürger für eine nachhaltige Energieversorgung begeistern können. Die hessische Gemeinde Mengsberg bietet ein nachahmenswertes Beispiel.
 


Dörfer, die von einer Biogasanlage mit Wärme versorgt werden, gibt es viele. Diese sind die klassischen Bioenergiedörfer der Moderne, bei denen meist der jahreszeitlich schwankenden Wärmenachfrage ein ausreichendes ganzjährig konstantes „Abwärme-“Angebot eines Biogas-BHKWs gegenübersteht. Das heißt nach oder mit Errichtung der Biogasanlage wird nach Wärmeabnehmern gesucht.

Die Gemeinde Mengsberg ist genau den umgekehrten Weg gegangen. Sie wollte eine erneuerbare Wärmeversorgung und hat über eine Machbarkeitsstudie prüfen lassen, wie ein geeignetes Konzept aussehen könnte. Auf dieser Basis wurde die Entscheidung für eine hochmoderne Hybrid-Lösung aus Freiflächen-Solarthermiefeld, Holzhackschnitzelkessel und Spitzenbedarfs-, sowie Redundanz-Biopropankessel getroffen. Dieser Ansatz eines smarten Sonnen- und Bioenergiedorfs kann als beispielgebender Schritt im ländlichen Raum gesehen werden, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu minimieren.

 

Solarthermiefeld ergänzt Bioenergie

Holzhackschnitzelfeuerungen im MW-Bereich leiden unter niedrigen Lastanforderungen, wie sie regelmäßig im Sommer und häufig in Übergangszeiten auftreten. Hier bietet die Solarthermie eine optimale Ergänzung mit ihrem Produktionsmaximum im Sommerhalbjahr. Die hessische 900-Einwohner-Gemeinde Mengsberg, ein Ortsteil von Neustadt, hat mit Fördermitteln der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raumes im Jahr 2014 eine Machbarkeitsstudie finanziert.

Ziel war die Errichtung eines Solarthermiefeldes in Kombination mit einer Heizzentrale, die einen Hackschnitzelkessel und einen Bio-Flüssiggaskessel vereint. Nachdem die Studie eine positive Wirtschaftlichkeit dieser erneuerbaren Wärmeversorgung ergab, gründete sich im Herbst 2014 eine Bioenergiegenossenschaft. Mit Beauftragung der Viessmann Group im Jahre 2017 haben die Mengsberger den Startschuss für die Errichtung eines rund 3.000 Quadratmeter großen Solarthermiefeldes inklusive 300 m³ Pufferspeicher samt Heizzentrale mit Holzhackschnitzelanlage und einem Biopropankessel gegeben.

Rund 20 Prozent des Wärmebedarfs soll über Sonnenenergie gedeckt werden, der Rest wird von der Holzhackschnitzelanlage aufgefangen. Zudem gibt es für Extremsituationen noch einen Biopropankessel mit 1.600 kW, der jedoch nur maximal 2 % der Wärme abdecken soll. Laut Wärmeliefervertrag der Genossenschaft soll die Kilowattstunde netto 10,5 Cent kosten. Die Gesamtinvestition beläuft sich auf 6 Millionen Euro – 1,9 Millionen Euro kommen aus Zuschüssen. Für 80 Prozent der Kreditsumme bürgt die Stadt Neustadt, die damit gegebenenfalls die Anlagen übernehmen würde. Weitere 600.000 Euro wurden von Mengsbergern als Genossenschaftseinlage aufgebracht. Die Hackschnitzel werden von ansässigen Waldeigentümern, sowie von einem großen, nur wenigen Kilometer entfernten Sägewerk bereitgestellt und werden aus Schad-/Käferholz, Abfall- und Rest-/Kronenholz gewonnen. Damit wird ein nachhaltiger Rohstoffkreislauf mit kurzen Transportwegen gewährleistet.

Mit einem Netz von über 9 km Länge werden rund 150 Anschlussnehmende mit einem jährlichen Gesamtwärmebedarf von rund 4,9 GWh versorgt. Das Netz wird gleitend mit 85° Vorlauf und 55° Rücklauf im Winter und 70° Vorlauf und 40° Rücklauf im Sommer betrieben. 

Einer eigens dafür gegründeten Genossenschaft tritt ein anschlusswilliger Haushalt mit einer Genossenschaftseinlage von 4.000 Euro bei. „Hauptkonkurrent war der Ölpreis“, erläutert Michael Rudewig, Vorstand der Bioenergiegenossenschaft Mengsberg eG, die Herausforderung, seine Mitbürger von den Vorteilen einer Nahwärmelösung zu überzeugen.

 

Eckdaten der Anlage

  • Solarthermie: 2.950 m² Kollektorfeld (224 Kollektoren) mit 2x150 m³ Pufferspeicher in Reihe
  • Holzhackschnitzelkessel mit 1.100 kW
  • Biopropan-Kessel mit 1.600 kW
  • Wärmeanteile: 81% HHS, 17% Solarthermie (v.a. im Sommer) und max. 2% Biopropan
  • 150 vertragliche Anschlussnehmer, von denen 142 am Netz sind (Stand Dez. 2019), 3 sind Bedarfsanschlüsse mit zusammen ca. 4,9 GWh Wärmebedarf
  • Netz: KMR-Duo-Rohr mit 9.260 m Länge



Zukunftsperspektiven

Das Sonnen- und Bioenergiedorf Mengsberg enthält bereits viele innovative Bausteine einer zukünftigen erneuerbaren Wärmeversorgung. Bei einem Anteil von immer noch rund 80 % der Wärmebereitstellung aus Biomasse und nur 17 % aus Solarthermie besteht für Nachfolgeprojekte noch Ausbaupotenzial im Bereich des Solarfelds. Ein solcher Ausbau könnte dann auch nach dänischem Vorbild einen Speicherteich, anstatt des Pufferspeichers am Solarthermiefeld nutzen.

Auch wenn das Netz bereits flexibel in seinen Vor- und Rücklauftemperaturen zwischen Sommer und Winter betrieben wird, könnten die Temperaturen in Abhängigkeit von Wetterbedingungen und den Anforderungen zum Schutz gegen Legionellen unter Einsatz künstlicher Intelligenz noch weiter flexibilisiert werden. Hierzu ist wichtig, dass gemeinsam mit der Rohrverlegung auch Datenleitungen installiert werden, was in Mengsberg vorbildlich umgesetzt wurde.

 


Das ist smart:

  1. Klimaschutzbeitrag: Komplette Ablösung fossiler Brennstoffe zu regenerativer und solarer Energie, weitere Emissionsvermeidung durch Ausbau des Solarfelds
  2. Systembeitrag: Bedarfsgerechte und kostengünstige Umstellung auf regionale Wärmeversorgung ohne Stromnetzbelastung mit Vorbildcharakter für andere ländliche Gemeinden
  3. Nachhaltige Rohstoffbasis: Bürgergenossenschaft nutzt regionales Waldrestholz