Biogas und Tierhaltung in Deutschland

Das Deutsche Biomasseforschungszentrum gGmbH hat Ende 2018 ein Ressourcenmonitoring für Nebenprodukte, Reststoffe und Abfälle veröffentlicht, welches unter der Webadresse http://webapp.dbfz.de frei verfügbar ist. Hiernach bestehen in Deutschland weiterhin erhebliche Potenziale an landwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Getreidestroh (im Mittel 6,8 Mio t TM/a), Rindergülle (im Mittel 5,6 Mio t TM/a) und -mist (im Mittel 5,1 Mio t TM/a), die zur Energiegewinnung in Biogasanlagen eingesetzt werden könnten. Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderte Vorhaben „Arbeitsgruppe Biomassereststoffmonitoring (AG BioRestMon)“ (FKZ 22019215) zeigt damit, dass allein aus Rindergülle und -mist zwischen 56 und 96 PJ/a Biomethan erzeugt werden könnten, siehe Abbildung.

 

Das mobilisierbare Biomassepotenzial ist der Teil des technischen Biomassepotenzials, welches in eine höherwertige Nutzung überführt werden kann.

In Europa ist Deutschland bei der Biogaserzeugung führend. In Deutschland erfolgt die Erzeugung von Biogas überwiegend aus landwirtschaftlichen Substraten (Gülle, Energiepflanzen) und unterscheidet sich demnach von anderen europäischen Ländern. Seit dem Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 ist die Zahl der Biogasanlagen kontinuierlich gestiegen. Durch die Novellierung des EEG in den Jahren 2004 und 2009 haben die Anzahl und installierte elektrische Leistung von Biogasanlagen deutliche Impulse erhalten. Daher sind sowohl die Anzahl als auch die installierte Kapazität der Stromerzeugung vor Ort sowie von Biogasanlagen mit Gasaufbereitungstechnologien zur Biomethanerzeugung deutlich gestiegen.

Vor dem Hintergrund der seit 2012 geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen umfasst der Kapazitätsausbau im Biogasbereich vor allem Anlagenerweiterungen, Anpassungen für einen flexiblen Anlagenbetrieb sowie einen leichten Ausbau von kleinen Gülle-Biogasanlagen und Anlagen zur Bioabfallvergärung. Das ehemalige EEG förderte Biogasanlagen mit einer festen Einspeisevergütung für 20 Jahre, während die 2017 neu geschaffene Förderform auf Ausschreibungen von Strom aus Erneuerbaren Energien - und darunter auch Biomasse - basiert.

Für die Zeit nach Ablauf der garantierten EEG-Vergütung und im Hinblick auf den steigenden Anteil fluktuierender erneuerbaren Energien (Wind, Solar) im Energiesystem stehen Biogasanlagenbetreiber vor neuen Anforderungen und Herausforderungen. Wenn es für Bestandsanlagen keine Aussicht auf einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb nach Auslaufen der EEG Vergütung gibt, ist abzusehen, dass notwendige Investitionen im Bestand ausbleiben werden und kurzfristig die verfügbare Anlagenleistung abnehmen wird.

Zentrale Frage für Bestandsanlagen ist, welche Optionen für einen Weiterbetrieb von Biogasanlagen bis und nach 2030 existieren. Darüber hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, welche Perspektiven sich für die jeweiligen Sektoren (Verkehr, Strom, Wärme) entsprechend der Ausbauziele mit erneuerbaren Energien und der nationalen Klimaschutzziele ergeben. Die aktuell von den verschiedenen beteiligten Ministerien diskutierten Szenarien sind nicht konsistent und lassen keine gesicherte Prognose für eine langfristige Entwicklung in Deutschland zu.

Das Hauptziel der Milchwirtschaft ist die Produktion von Milch und Kälbern zur Aufzucht oder Mast.

In Deutschland ist die landwirtschaftliche Milchproduktion der wichtigste Bereich der Tierproduktion. Im Jahr 2016 produzierten 4,3 Millionen Milchkühe mehr als 32 Millionen Tonnen Milch (Hans-Dieter Haenel et al., 2018; Thünen Institut, 2018; BMELV, 2010).

In Deutschland gibt es insgesamt rund 12,9 Millionen Rinder, von denen 4,2 Millionen zur Kategorie der Milchkühe und 0,7 Millionen Mutterkühe gehören. Als das Land mit der größten Milchviehherde und auch dem zweitgrößten Viehbestand in der Europäischen Union nehmen die Rinderbestände jedoch weiter ab (Destatis, 2018; German Lifestock e.V., 2019).

Umfragen vom November 2018 zeigen, dass fast 12 Millionen Rinder gehalten wurden, allerdings mit einem Rückgang von 1,2 % gegenüber Mai desselben Jahres. Bei der Milchproduktion ist die Zahl der Milchkühe seit der letzten Erhebung (Mai 2018) um 1,6 % gesunken und lag zum Stichtag bei 4,1 Mio. Tieren. Die Zahl der Rinderfarmen betrug 140.000 und war damit leicht rückläufig (-0,7%); die Zahl der Milchviehbetriebe sank um 1,8% auf rund 62.800.  Siehe Abbildung 1 und 2 für detailliertere Informationen (Destatis, 2018).

 

Stallhaltung

Milchkühe werden in Ställen gehalten, hauptsächlich in Laufställen mit abgetrennten Liegeboxen (Jungbluth et al., 2017). In gemäßigten Klimazonen bieten Scheunen den Tieren eine warme und trockene Umgebung; im Sommer bei warmen Temperaturen, kann Weidewirtschaft betrieben werden, was jedoch manchmal zu steigenden wirtschaftlichen Kosten führt, da die Logistik für den Transport der Tiere von der Weide in die Melkräume erforderlich ist (Jungbluth et al., 2017).

Die Haltungssysteme werden entsprechend der Tierkategorie und dem Produktionszweck konzipiert. Je nach Produktionszyklus können unterschiedliche Stallsysteme eingesetzt werden.

Die Rinderherde kann in Gruppen- oder Einzelunterkünften (Sommer et al., 2013; Jungbluth et al., 2017) oder in Anbindeställen geführt werden. Letzteres ist in Deutschland jedoch ein viel diskutiertes Thema. Es gibt Vorankündigungen, die ein ganzjähriges Verbot der Bewegungseinschränkung befürworten. In Deutschland hat die Tierhaltung hohe Standards und gesetzliche Regelungen, die den Tierschutz auf hohem internationalen Niveau verbessern sollen (Deutscher Bauernverband, 2017).

Das Gruppenhaltungssystem ist das am häufigsten verwendete in der Milchwirtschaft. Die Zellabteilungen haben geschätzt folgende Maße: Raum 7,8 m² / Tier, Gehfläche 4,6 m² / Tier; Durchgang mindestens 2,5 m Breite und bis zu 50 m Länge) und gliedert sich in Laufställe mit Liegeboxen, Vollspaltenboden und Streuscheune (KTBL, 2006).

Je nach Größe werden folgende verschiedene Arten von Ställen verwendet: Stallungssysteme je nach Bestandsgröße aus dem Milchvieh-Report Deutschland.

StallungssystemeBestandsgröße
 bis zu 59 Kühe60 - 100 Küheüber 100 Kühe
Typisches Stallsystem

Anbindestall, Tretmiststall, Liegeboxenlaufstall, Mehrraumlaufstall

Liegeboxenlaufstall, Mehrraumlaufstall, TretmiststallLiegeboxenlaufstall

Quelle: (KTBL-Schrift, 2004)

 

Entmistungssysteme

Für die Güllewirtschaft ist es wichtig zu beachten, dass diese abhängig von der Art der Scheune und des Bodens ist; sie kann als fest oder flüssig geführt werden. Es gibt zwei prinzipielle Möglichkeiten, den Mist zu entfernen: mechanisch oder hydraulisch.

Beispiel  von Milchviehhaltung; Stall-/Entmistungssysteme

  • Frei gelüfteter Liegeboxenlaufstall mit 51 eingestreuten Tiefliegeboxen und Auslauf
  • Bereiche mit planbefestigtem Boden und Spaltenboden
  • Entmistung der Laufgänge mit Schieber: 2x/Stunde
  • Reinigung der Liegeboxen: 2x/Tag
  • Nachstreu Stroh und Kalk: 1x/14 Tage 

 

 

Insbesondere die Tierproduktion und die Milchsysteme tragen durch die Emission von Treibhausgasen (Treibhausgasemissionen), insbesondere Methan (NH4), Lachgas (N2O) und Ammoniak (NH3), entweder direkt vom Tier oder indirekt von den Stallungen, zur globalen Erwärmung bei. Die Emmissionen werden durch die gewählte Stallhaltung beeinflusst, je nachdem welche Methode zur Sammlung, Lagerung und Verarbeitung der Rückstände (Gülle und Einstreu) angewendet wird (Grossi et al., 2019). Milchviehbetriebe sind für große Treibhausgasemissionen verantwortlich, größtenteils durch die enterische Gärung und das Güllemanagement (AGA, 2005). Obwohl die höchsten Methanemissionen vom Tier stammt, gibt es auch erhebliche Emissionen von CH4, NH3 und N2O aus Gülle sowie aus den Haltungssystemen, der Lagerung und während der Feldausbringung (Montes et al., 2013; Rotz, 2017).

Die Gülleverwertung durch anaerobe Vergärung (AD) für die Biogasproduktion ist eine Möglichkeit, den CO2-Fußabdruck der Milchproduktion zu reduzieren (Rotz und Hafner, 2011). Der Biogasprozess erzeugt erneuerbare Energien und reduziert die Treibhausgasemissionen.

Je nach Stallung und Entmistungssystem wird der Dünger als Fest- oder Flüssigdünger hergestellt. Laufställe mit hohen Boxen und Hartgummimatten oder Komfortmatten sowie Zellen mit niedrigen Boxen mit Gülleproduktions- und Abstreifersystem sind geeignete Systeme für die Biogasproduktion ohne Güllebehandlung. Bei Schrägboden- und Tiefbettstallungen entsteht Festdünger oder Gülle unter Entnahme durch Faltschieber oder mobile Einheiten, die für die Biogasproduktion mit Güllebehandlung (Verflüssigung) geeignet sind (Sommer, et al., 2013; Jungbluth et al., 2013).

 

Referenzen:

  1. AGA, F. (2005). Pollution from industrialized livestock production. doi.org/10.1101/gad.1884710
  2. Bauernverband, D. (2017). Faktencheck Haltung von Milchkühen.
  3. BMELV. (2010). German agriculture facts and figures. Federal Ministry of Food, Agriculture and Consumer Protection, 40.
  4. Destatis. (2018). Viehbestand - Fachserie 3 Reihe 1 - 3. November 2018 (Land und Forstwirtschaft,Fischerei), 49(0), 1–53.
  5. German Livestock e.V. (2019). German Livestock Asociation. Retrieved from www.germanlivestock.de/german-cattle.html
  6. Grossi, G., Goglio, P., Vitali, A., & Williams, A. G. (2019). Livestock and climate change: impact of live-stock on climate and mitigation strategies, 9(1). doi.org/10.1093/af/vfy034
  7. Hans-Dieter Haenel, Claus Rösemann, Ulrich Dämmgen, Ulrike Döring, Sebastian Wulf, Brigitte Eurich-Menden, Annette Freibauer, Helmut Döhler, Carsten Schreiner, B. O. (2018). Calculations of gaseous and particulate emissions from German agriculture 1990 – 2016.
  8. Jungbluth, Thomas; Büscher, Wolfgang & Krause, M. (2017). Technik Tierhaltung (2 Auflage). Stuttgart, Germany: Eugen Ulmer KG.
  9. KTBL- Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (2006). Nationale Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren (KTBL-Schr). Darmstadt, Germany: KTBL.
  10. KTBL-Schrift. (2004). Betriebszweig Milchviehhaltung (pp. 1–17).
  11. Montes, F., Meinen, R., Dell, C., Rotz, A., Hristov, A. N., Oh, J., … Dijkstra, J. (2013). SPECIAL TOPICS-Mitigation of methane and nitrous oxide emissions from animal operations: II. A review of manure management mitigation options 1. J. Anim. Sci, 91, 5070–5094. doi.org/10.2527/jas2013-6584
  12. Rotz, C. A. (2017). Modeling greenhouse gas emissions from dairy farms. Journal of Dairy Science, 101(7), 6675–6690. doi.org/10.3168/jds.2017-13272
  13. Rotz, C. A., & Hafner, S. D. (2011). Whole Farm Impact of Anaerobic Digestion and Biogas Use on a New York Dairy Farm. 2011 ASABE Annual International Meeting, 7004(11), 12. doi.org/10.13031/2037768
  14. Sommer, S. G., Christensen, M. L., Schmidt, T., & Stoumann Jensen, L. (2013). Animal Manure Recycling: Treatment and Management (First Edit). West Sussex, United Kingdom: John Wiley & Sons Ltd.
  15. Thünen Institut für Betriebswirtschaft. Steckbriefe zur Tierhaltung in Deutschland: Milchkühe (2018). Retrieved from www.thuenen.de/media/ti-themenfelder/Nutztierhaltung_und_Aquakultur/Nutztierhaltung_und_Fleischproduktion/Milchviehhaltung/Steckbrief_Milchkuehe.pdf

Zum Stand Ende 2017 sind in Deutschland rund 8.900 Biogasproduktionsanlagen (inkl. Biogasaufbereitungsanlagen zu Biomethan) in Betrieb. Mehrheitlich werden die Biogasanlagen im landwirtschaftlichen Bereich betrieben. Eine Übersicht gibt Tabelle 1:  Anzahl der Biogasproduktionsanlagen 2017, differenziert nach Art der Anlage und Substratinput.

 

 

Energiebereitstellung aus Biogas (sowie Biogas und Biomethan) in 2017

[BMWi (2018) Erneuerbare Energien in Zahlen. Berlin]

  • Stromerzeugung aus Biogas: ca. 29,3 TWhel (inkl. Biomethan: ca. 32,1 TWhel)
  • Endenergieverbrauch Wärme: ca. 14 TWhth (inkl. Biomethan: ca. 17,6 TWhth)

 

Etwa 8.350 Biogasproduktionsstätten in Deutschland produzieren Strom und Wärme auf Basis von Gülle/ Festmist und NawaRo. Gülle und Festmist werden dabei in wenigstens 7.600 Biogasanlagen zur Biogaserzeugung eingesetzt und machen insgesamt etwa 52% des Substrateinsatzes (bezogen auf die eingesetzten Mengen) in landwirtschaftlichen Biogasanlagen aus. Unter Berücksichtigung der Strombereitstellung kann der Einsatz von Gülle/ Festmist für das Jahr 2016 auf rund 53 Mio tFM geschätzt werden. Dies entspricht nach ersten Schätzungen etwa 30% der verfügbaren Potenziale.

Der Substrateinsatz in landwirtschaftlichen Biogasanlagen ist in Abbildung 2 dargestellt. Gülle und Festmist machen dabei rund 52% der Einsatzmengen aus. Die Kategorie „Reststoffe“ umfasst mehrheitlich Futterreste, Kartoffel- und Gemüsereste sowie Osttrester und andere pflanzliche Nebenprodukte. Eine Differenzierung des Inputs von Gülle und Festmist zeigt, dass Rindergülle das dominierende Inputmaterial ist (vgl. Abbildung 3).

 

Landwirtschaftliche Biogasanlagen werden vorwiegend mit dem Verfahren der Nassfermentation mit einem Rührkessel betrieben. Mehr als 90 % der Anlagen sind mit diesem Fermentersystem ausgestattet (siehe Abbildung 4). Pfropfenstromverfahren und sog. Garagenanlagen spielen eine deutlich untergeordnete Rolle.

 

Die nach Abzug des Eigenwärmebedarfs der Biogasanlage extern verfügbare Wärmemenge des BHKW wird mehrheitlich einer weiteren Nutzung zugeführt. Im Mittel werden dabei rund 56% der extern verfügbaren Wärmemenge genutzt. Die verfügbare Wärme wird vielfach zur Beheizung von Sozialgebäuden (Büro, Werkstatt) und Wohnhäusern inkl. Warmwasserbereitung eingesetzt. Rund 46% der Betreiber geben an, die extern verfügbare Wärme in diesem Bereich zu nutzen. Daneben werden vordergründig Wärmenutzungskonzepte für Trocknungsprozesse und Wärmenetze umgesetzt.

 

Eine Auswertung der Daten zur Abdeckung der Gärrestlager zeigt, dass etwas 42 % aller Gärrestlager über eine gasdichte Abdeckung verfügen. Demgegenüber stehen jedoch offene Gärrestlager, welche aktuell noch rund 35% aller Gärrestlager ausmachen. In Hinblick auf die Volumina der Gärrestlager ist zu verzeichnen, dass über die Hälfte des gesamten Gärrestlagervolumens gasdicht abgedeckt ist. Rund 30% der Gärrestvolumina verfügen über keine Abdeckung.